Präsentation im Neuen Rathaus Weiden
VEREINT
2013 feierte der Kunstverein Weiden sein 20jähriges
Jubiläum. Das war der Anlass, die Künstlergruppe bluemerant
(Rosa Brunner und Judith Siedersberger) einzuladen, ein Konzept zum
Thema Verein zu realisieren.
Etymologisch ist das Wort Verein abgeleitet vom althochdeutschen
fireinen, was so viel wie eins werden oder sich
entschließen bedeutet.
Vorläufer von Vereinen gab es bereits im Mittelalter in Form von
beruflichen oder religiösen Zusammenschlüssen (Zünfte,
ritterliche Gemeinschaften, Bruderschaften, etc.). Die Entstehung von
Vereinen, so wie wir sie heute kennen, ging einher mit dem gesellschaftlichen
Wandel, der durch die Industrialisierung im 19. Jhd. ausgelöst
wurde. Das Abwandern der Landbevölkerung in die Städte, die
Ausdifferenzierung der sozialen Schichten und die Aufweichung des Zusammenlebens
in Großfamilien rief den Drang hervor, sich zusammen zu schließen.
Das Recht sich zu versammeln und zu reden ist eine politische
Forderung, die in der Märzrevolution von 1848 in vielen Städten
erkämpft wurde und seit dem 1. Januar 1900 im Bürgerlichen
Gesetzbuch (BGB) geregelt ist.
Während dem Nationalsozialismus wurden und ließen sich viele
Vereine von der menschenverachtenden Politik vereinnahmen und instrumentalisieren.
Dies zeigt, dass sie eine soziale und politische Verantwortung tragen.
Vereine dienen der Geselligkeit, Selbstbildung, Interessenverfolgung,
Wohlfahrt und der wechselseitigen Unterstützung. Gleichgesinnte
können sich treffen und austauschen. Die Organisationsstruktur
bietet die Möglichkeit, unkonventionell in Kontakt zu treten. In
Vereinen kommt bürgerschaftliches Engagement zum Tragen.
Mit öffentlichen Auftritten wie z. B. Umzügen, Feste und Gedenktage
positionieren sich Vereine in der Mitte der Gesellschaft und nehmen
vielfältig Bezug auf ihren Heimatort. Oft ist der Ortsname im Vereinsnamen
integriert oder die Farben der Stadt werden im Vereinswappen aufgegriffen.
Die Vereinsmitgliedschaft verhilft dank der öffentlichen Auftritte
zu Ansehen. Dieses soziale Kapital findet praktische Anwendung in der
gegenseitigen Unterstützung innerhalb des Vereinsnetzwerks.
Es gibt ca. 300 Vereine in Weiden. Der Mutter Theresa
Kreis e. V. ist der jüngste Verein, er wurde am 7.3.2013 in das
Vereinsregister aufgenommen. Das zeigt, dass der Drang, sich in Vereinen
zusammen zu schließen, ungebrochen ist.
Im Heimatring von Weiden, der Dachorganisation von kultur-, heimat-
und brauchtum-pflegenden Vereinen, zu dem auch der Kunstverein Weiden
gehört, sind 69 Vereine mit ca. 27400 Mitgliedern organisiert.
Neben dem Durchführen von kulturellen Veranstaltungen bündelt
der Heimatring kulturelle Aufgaben sowie gemeinsame Interessen und vertritt
diese gegenüber der Stadt. Darüber hinaus gibt es unzählige
weitere Vereine, z. B. Sport-, Turn- und Schützenvereine, Bürgerinitiativen.
In einer Ausstellung, die vom 7. Juni bis 7. Juli 2013
im Neuen Rathaus in Weiden zu sehen war, wurde ein Ausschnitt der Vereinswelt
präsentiert. Dafür konzipierte die Künstlergruppe bluemerant
ein Wabenmodul, in dem sich die Vereine auf vielfältige Weise vorstellen
konnten. Zwischen den gestalteten Waben tauchten auch leere auf. Sie
wiesen darauf hin, das nicht alle Vereine vertreten waren. Von den insgesamt
ca. 300 Vereinen nahmen 157 am Kunstprojekt teil.
Für die Gestaltung der Waben stellten die Vereine Gegenstände
zur Verfügung, z.B. Urkunden, Plakate, Aufkleber, Aufnäher,
Abzeichen, Fotos, Trikots, Maskottchen, Ritual-Gegenstände, Fetische,
etc. Die Aufgabe war, die Identität des Vereins auf kleinsten Raum
darzustellen. Das löste zum Teil lange Entstehungsprozesse aus.
So trafen sich z.B. Mitglieder der Bürgerinitiative gegen atomare
Anlagen gleich mehrfach und nahmen die Gestaltung der Wabe zum Anlass,
die wichtigsten Aussagen im Kollektiv zu erörtern. Sie wollten
ein möglichst stimmiges Bild der gemeinsamen Ziele und Aktivitäten
vermitteln.
Andere Vereine, die eher zufällig vom Kunstprojekt erfuhren, besuchten
aus Neugierde den Kunstverein während der Workshop-Tage. Die Lust
am Gestalten war ansteckend und einige entschieden sich spontan, daran
teilzunehmen. Die Workshops, die in den Räumlichkeiten des Kunstvereins
stattfanden, boten einen Raum der gegenseitigen Hilfestellung bei Fragen
der Gestaltung, aber auch die Möglichkeit, andere Vereine und deren
Engagement persönlich kennenzulernen.
Wie Bienenwaben hingen die gestalteten Waben-Module an den Wänden
des Neuen Rathauses Weiden und demonstrierten auf vielfältige Weise
ehrenamtliches Engagement und unterschiedliche Interessen der Bürger.
Die Ausstellung bot einen kaleidoskopartigen Blick auf die Gesellschaft.
Jede einzelne Wabe eröffnete ein kleines Vereins-Universum.
Das Kunstprojekt provozierte bei den TeilnehmerInnen eine
intensive Auseinandersetzung mit den Vereinsinhalten sowie deren Relevanz
für die Gesellschaft und entfachte eine neue Lust am Gestalten.
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