Ausstellungseröffnung: Marianne Pitzen, Judith Siedersberger und Rosa Brunner


Konsolen mit Objekten der HausbewohnerInnen von Rosa Brunner


"Sind Sie glücklich?" Tonprojekt von Judith Siedersberger

STEPHANSTRASSE 11
Ein Kunstprojekt von Rosa Brunner und Judith Siedersberger


Am 04.11.05 um 18:00 Uhr eröffnete Marianne Pitzen, Direktorin frauenmuseum Bonn, die Ausstellung "STEPHANSTRASSE 11". Die Künstlerinnen Rosa Brunner und Judith Siedersberger stellten sich mit dem Kunstprojekt und anderen Werken vor.


- P R O J E K T B E S C H R E I B U N G -

Die Stephanstrasse 11 ist eine typische Berliner Mietskaserne von 1918 mit Vorderhaus, Hinterhaus und einem Laden im Erdgeschoss. Die Innenräume sind mit Stuck verziert. Sie liegt im Stephankiez – Moabit.
Der Stephankiez hat den Ruf, sozialer Brennpunkt zu sein. Diese Stigmatisierung trägt nicht gerade zum Selbstbewusstsein der BewohnerInnen und damit zur Selbstverantwortung für die Lebensqualität im Kiez bei. Im Grunde hat die Architektur des Hauses und der Straße den Charme von gewachsener städtebaulicher und wohnlicher Qualität. Die Sozialstruktur der BewohnerInnen ist gut durchmischt.
Seit Anfang des Jahres 2005 wohnt Rosa Brunner in der Stephanstrasse 11 im Erdgeschoss. Neben ihrer Wohnung befindet sich der leerstehende Laden. In den übrigen 22 Mietparteien leben Familien, Studenten und Leute, die zum Teil schon sehr lange hier wohnen. Trifft man sich im Treppenhaus, wird freundlich gegrüßt und auch mal ein kurzer Plausch gehalten. Diese Treppenhaus–Zufallsbegegnungen sind spontan und unverbindlich.
Der schlechte Ruf des Kiezes und die Anonymität unter den HausbewohnernInnen brachte die Bildhauerin Rosa Brunner auf die Idee, zusammen mit der Künstlerin Judith Siedersberger ein Projekt zu machen. Begegnung und Austausch mit den HausbewohnerInnen bilden dafür die Grundlage.

Rosa Brunner zitiert das klassische Portrait und setzt es als Mittler für die Idee ein, Personen, Kunst und Raum ineinander übergehen zu lassen. In Konsolen, die die Ornamentik des Stucks zitieren, werden die HausbewohnerInnen als Masken eingesetzt. Der Umstand, sich beim Portraitieren genau zu betrachten und zu unterhalten, setzte ein erstes intensives Kennenlernen in Gang. Auf den Konsolen sind Objekte wie Vasen, Bilder, Figuren – Dinge, die eine Mietwohnung als eigenes Zuhause erkennen lassen – von den Portraitierten ausgestellt. Die BewohnerInnen zeigen dadurch selbst-bewusst ein Stück ihrer Persönlichkeit. Die in den Stuck eingebunden Portraits, sowie die individuellen Objekte der HausbewohnerInnen ermöglichen dem Betracher einen emotionalen Zugang. Durch die Reihung werden die 11 Konsolen zu einem Ornament, einzeln betrachtet spiegeln sie die Verschiedenartigkeit der Mieter.

Judith Siedersberger ließ mit ihrer Befragung „Sind Sie glücklich?“ die MieterInnen der Stephanstrasse 11 direkt zu Wort kommen. Die Tonaufnahmen, die dabei entstanden sind, wurden zu einem Hörstück zusammengeschnitten und werden im Rahmen der Ausstellung präsentiert. Das Hörstück hat durch die individuelle Einfärbung der Stimmen, der Sprachgeschwindigkeit, den unterschiedlichen Vorstellungen von Glück und die Art uns Weise es zu beschreiben, Sinnlichkeit. Es fordert vom Rezipienten die Fähigkeit zuzuhören, und über das gesprochene Wort den Menschen dahinter zu spüren. Gleichzeitig ist auch er als Hörer mit der Thematik konfrontiert.
Die Stephanstrasse 11 ist die erste Station des Tonprojekts „Sind Sie glücklich?“, das den Glückszustand der deutschen BundesbürgerInnen untersucht. Von Berlin ausgehend werden in unterschiedlichen Städten und Regionen Personen mit der Frage „Sind Sie glücklich?“ konfrontiert.
Judith Siedersberger findet es wichtig, von Zeit zu Zeit diese Frage neu zu stellen, denn die realen Bedingungen des Lebens und die zur Verfügung stehenden Begriffe wandeln sich. Weitere Informationen über das Projekt können über die Internetadresse www.judith-siedersberger.de eingesehen werden.

In ihren gemeinsamen Projekten untersuchen Brunner und Siedersberger die Wechselwirkung von Kunst und Gesellschaft. Es entstehen Arbeiten, die soziokulturellen und kulturpolitischen Charakter haben. Dabei ist ihnen der Diskurs wichtig. Sie stellen sich dem Dialog, versuchen Impulse zu geben und schärfen die Wahrnehmung.


Die Ausstellung wurde unterstützt von: Kulturbeirat Berlin-Mitte + Otto-Nagel-Galerie, Berlin-Wedding + frauenmuseum, Bonn + GbR Stephanstr. 11, Berlin + Duisberg Räume, Berlin + BewohnerInnen des Hauses + Jürgen Hanelt, Tonstudio Audare records, Bamberg