Kein Mangel an Vorschlägen für Bambergs Bewerbung
Bunte Gesprächsrunde in der Villa Dessauer über „culture in progress“ – Defizite in Sachen Jugendkultur, Fränkischer Tag vom 24.11.03 von Jürgen Gräßer

Mit der Bewerbung um den Titel Kulturhauptstadt Europas 2010 wolle man etwas auf den Weg bringen, was auch hernach Bestand habe. So lautete am Freitagabend das Schlusswort der resoluten Bamberger Museumsdirektorin Dr. Regina Hanemann.
„Let‘s talk about ... – culture in progress“ nannte sich das Diskussionsforum, in dem das Bamberger Kulturleben und die anstehende Bewerbung beleuchtet wurden. Auch Bürger kamen zu Wort.
Rosa Brunner und Judith Siedersberger hatten in die Villa Dessauer vor ihren wahrlich opulenten Reisealtar gebeten, der als Teil der Ausstellung „Wohnen zu Hausen“ noch bis Ende des Monats zu sehen ist. Und zu hören – denn in gedämpftem Mezzoforte erklingt, wie am Freitag auch, eine Litanei.
Bei allem Klagegesang konnten Politiker und Kulturbeauftragte aber auch auf Positives verweisen. Anregungen kamen zudem von Marianne Pitzen, die als leicht schräger, dabei schillernder Vogel der internationalen Kunstszene vom Rhein (sie ist Direktorin des Frauenmuseums Bonn) an die Regnitz gekommen war.
Gleich in der Vorstellungsrunde wurden die Teilnehmer von den abwechselnd moderierenden Künstlerinnen Siedersberger und Brunner kritisch befragt. Bundestagsmitglied Ursula Sowa (Bündnis90/Die Grünen), die auch in der Kulturenquete-Kommission sitzt, erklärte, dass dieses Gremium durchaus praxisnahe Empfehlungen abgeben werde, wie die schlechte Situation von Kulturschaffenden zu verbessern sei. Museumsdirektorin Hanemann hofft, die Haushaltskürzungen und die Bewerbung würden sich vertragen, warnte aber vor dem Beispiel Weimar: In der Kulturhauptstadt 1999 würden nun winters Museen geschlossen.
Um „Kultur von unten“ zu tun ist es der GAL-Fraktionsvorsitzenden, Petra Friedrich, um Kultur, die „noch nicht anerkannt und gefördert“ wird. Kinderkultur also, wie sie „Chapeau Claque“ bietet, aber auch Kultur auf der Straße, am Gabelmann und im Sand. Als Fachfrau für Förderung und Sponsoring war Dr. Steffi Widera von der Firma Bilog dabei, die etwa „Bamberg zaubert“ unterstützt. Von der Bewerbung (und möglichen Wahl) Bambergs verspreche sie sich, dass Geschäftskunden in Berlin nicht mehr fragten: „Warum sitzt ihr in Oberfranken?“
„Für Bamberg ist ein solcher Wettbewerb wie maßgeschneidert“, konstatierte der Fraktionsvorsitzende der SPD, Andreas Starke. Er wünschte der Stadt die Kraft, so etwas umzusetzen und erinnerte mit den Stichwörtern Jugendkultur und Kulturfabrik an Defizite.
Genau da sah auch Kulturreferent Bürgermeister Werner Hipelius „eklatante Mängel“. Weiter müsse sich die Verwaltung mehr als „Dienstleister für die Kulturschaffenden“ verstehen. Sponsoren seien vonnöten, Visionen gefragt, die Rahmenbedingungen voranzubringen, damit sich Kultur auch künftig entfalten könne.
Lebendig und kontrovers war die offene Diskussion, so kontrovers, dass Dr. Birgit Dietz schließlich aus dem Publikum heraus ermahnte, nicht ins Persönliche abzudriften und sich wieder der Sache – der Bewerbung als Kulturhauptstadt – anzunehmen.
Bei den Leitbildern, ob Gärtner- oder Brauerstadt, seien die Künstler bislang nicht vorgekommen, wurde bemängelt. Brunner und Siedersberger wünschten ein Dauerdomizil für Wechselausstellungen. Jazz, Film und Fotografie werden Werner Kohn zufolge in Bamberg nicht wahrgenommen: „Das hat nichts mit Geld zu tun, sonder mit der Bewusstseinslage.“ Von einem gewissen lähmenden Geist sprachen auch andere.
„Wir warten auf ihre Vorschläge,“ ermunterte Hipelius. Die wurden gemacht. Bürger könnten ihre Innenhöfe öffnen, der Gasbehälter bei den Stadtwerken solle zur bemalten Weltkugel mutieren, über eine Kunstakademie oder Musikhochschule nachgedacht werden. Fazit: „Bamberg bewegt“, jedenfalls die Gemüter, wenn es um die Bewerbung zur Kulturhauptstadt geht.


zurück zur Hauptseite